Ich war schon immer wahnsinnig stolz auf meine Eltern, noch bevor ich mich mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt habe. Ich wusste, dass sie als Gastarbeiter nach Österreich gekommen sind. Aber ich habe mich nicht weiter damit auseinandergesetzt, „Gastarbeit“ war mir ein genauso ferner Begriff wie „Menschen mit Migrationshintergrund“ oder „Integration“. Erst durch meine berufliche Laufbahn habe ich begonnen, die Geschichte meiner Eltern aufzurollen und möchte sie an dieser Stelle mit euch teilen. Die Moderation der Ausstellung „Unter fremdem Himmel“ hat mir bewusst gemacht, welchen wichtigen Teil die Gastarbeit in der Geschichte Österreichs ausmacht.
Beider meiner Eltern sind aus Ex-Jugoslawien nach Österreich gekommen, um Geld zu verdienen. Beide wollten ursprünglich zurück, beide sind schlussendlich geblieben. So ist es vielen ArbeitsmigrantInnen ergangen. Mein Vater ist mit 22 Jahren nach Österreich gekommen und ist zuerst in Vorarlberg gelandet. Dort hat er in einer Unterkunft gelebt, die menschenunwürdiger nicht hätte sein können. Frauen und Männer, auch wenn sie verheiratet waren, haben getrennt voneinander und auf engstem Raum gelebt. Von Hygiene, Privatsphäre und Toleranz hat mein Vater damals wenig bis gar nichts mitbekommen. Sein nächster Stopp war Salzburg. Papa hat eigentlich immer in Tischlereien gearbeitet, da er gelernter Tischler ist. Er war nur einmal zwischenzeitlich in einem Kugellager. Am Ende seiner Reise ist er in Berndorf (NÖ) angelangt. In diesem Städtchen bin ich aufgewachsen.
Meine Mutter ist mit gerade einmal 18 Jahren angekommen und hat erst einmal eine lange Zeit Teller abgewaschen und war in der Gastronomie tätig. Schlussendlich ist sie bei einer Firma gelandet, in der sie seit mittlerweile 30 Jahren angestellt ist. Wenn ich an mein 18-jähriges Ich denke, so kann ich mir nicht vorstellen, in ein fremdes Land zu ziehen, um dort Fuß zu fassen, ohne finanzielle Mittel und ohne der Sprache mächtig zu sein. Ich hätte einfach nicht den Mut dazu gehabt. Mama hatte ihn schon und dafür respektiere ich sie.
Papa hat war lange Zeit Vertreter der Arbeiter bei der Arbeiterkammer in Niederösterreich und Kammerrat des ÖGB-Vorstandes. Zudem haben sie jahrelang erfolgreich zwei Cafés in Niederösterreich geführt. Erst jetzt wird mir bewusst, wie viel meine Eltern durchgemacht haben, wie viele Extraschichten sie geschoben und wie viel Ungerechtigkeit sie erlebt haben. Sie haben nicht nur sich und uns, ihren Kindern, ein schönes und unbeschwertes Leben in Österreich aufgebaut. Sie haben maßgeblich zum Aufbau Österreichs beitragen – jeder Gastarbeiter, jede Gastarbeiterin hat das.
Dieses Jahr findet das 50-jährige Jubiläum des Arbeiterabkommens zwischen Österreich und Ex-Jugoslawien statt. Ich bin froh, dass die Gastarbeit dieses Jahr so stark thematisiert wurde. Damit zollt man jenen Respekt, die ihn verdient haben. Wir nehmen manche Dinge als so selbstverständlich wahr. Für mich war es immer das Normalste der Welt, mich als Gastarbeiterkind zu bezeichnen. Aber wir sollten uns mehr mit der Geschichte unserer Familie beschäftigen. Meine Eltern sind nicht nur Mama und Papa, sie sind auch hartarbeitende Menschen, die nie über ihre Arbeit geklagt haben. Sie sind mit nichts hier angekommen, wurden schlecht behandelt und haben trotzdem so viel erreicht. Österreich wollte Arbeiter, gekommen sind Menschen. Menschen wie Mama und Papa.
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