SINAH.

„Ich war ein sehr schüchternes und nachdenkliches Kind und konnte nie verstehen, warum andere in meinem Alter so viel selbstbewusster und intuitiver waren als ich. Ich beneidete ihre Leichtigkeit, ihre Lebensfreude und dass sie weniger von Selbstzweifel geplagt zu sein schienen. Als Teenager fühlte ich mich extrem gestresst: Ich passte nirgends so richtig rein, eckte oft an und statt für Dating und Jungs habe ich mich für Musik und Bücher interessiert. Diese selbstgewählte Außenseiter-Rolle machte mich zu einem leichten Ziel für eine Gruppe Mobberinnen.

Irgendwann fing ich an, mich zu ritzen und ich litt immer wieder mal unter Panikattacken und extrem nervösen Zuständen, bei denen ich das Gefühl hatte, zu ersticken oder in Ohnmacht zu fallen. Ich war zu stolz, um mit irgendjemandem darüber zu sprechen, also baute ich eine Schutzmauer um diese Unsicherheiten und Ängste. Ich wollte ein cooles, toughes Mädchen sein, das niemanden braucht. Mein Lebensziel war von da an, eine unabhängige, starke Frau zu werden, die sich nimmt, was sie will und sich nicht ständig unsicher und schwach fühlt. Immer cool gekleidet, in Lederjacke und Sonnenbrille natürlich. Ich war so geblendet von den Hollywood Filmen, die das Bild dieser coolen, sexy Frau verkaufen, die ein Workaholic ist und alle Typen bekommt.

Ich wurde älter und checkte, dass ‚cool sein’ Bullshit ist. Stark zu sein bedeutet, die eigenen Schwächen akzeptieren und zulassen und das Herz auf der Zunge tragen zu können. Ich habe immer gehofft, dass unsichere Mädchen in mir, das ich einmal war, würde irgendwann cooler werden aber stattdessen weiß ich, dass sie immer da sein wird. Unsicherheiten verschwinden nicht einfach. Man versteckt sie nur hinter coolen Klamotten, Sonnenbrillen und einer toughen Attitüde. Auch cool zu machen bringt einen nicht weiter. Stärke bedeutet auch, die Unsicherheiten nicht nur akzeptieren, sondern auch feiern zu können. Sie zu tragen, wie das neueste, coolste Accessoire der Saison und einfach mal drauf zu scheißen, was andere sagen könnten. Manchmal fühlt man sich stark. Manchmal fühlt man sich zerbrechlich, weil es ganz einfach unmöglich ist, immer tough und cool zu sein. Manchmal braucht dieses kleine, unsichere Kind in uns ein bisschen Bestätigung und Aufmerksamkeit, auf jeden Fall braucht es Geduld. Man muss aufhören, es zu ignorieren. Es wird immer da sein.

Manchmal geht es mir auch heute noch so, zum Beispiel, wenn ich mir die Fotos von schönen, erfolgreichen, Frauen auf Instagram anschaue und einen schlechten Tag habe. Dann fühle ich mich wieder wie das kleine unsichere Mädchen. Dieser dauernde Vergleich mit anderen macht unglücklich und unzufrieden, man braucht ständig Bestätigung. Das ist tödlich für jegliches Selbstbewusstsein und vor allem für jegliche Individualität. Es geht nicht darum, irgendwelchen Schönheitsidealen zu entsprechen, die sich Jahr für Jahr ändern, oder so zu tun, als ob man cool und eiskalt wäre, damit einem niemand weh tut. Es geht darum, die eigene Kreativität zu benutzen und ein eigenes Schönheitsideal zu definieren, den eigenen Weg zu finden und ihn unbeirrt zu gehen. Was uns von anderen unterscheidet, ist das, was uns einzigartig macht.“

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